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Chittagong, Bangladesch: Kindheit in der Abwrackwerft

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Die Schiffsfriedhöfe Bangladeschs sind die Anlaufstelle Nummer eins, wenn ein Ozeanriese seinen Dienst getan hat: Die Sicherheitsstandards sind niedrig und die Arbeitskraft kostet wenig. 1) Gegen Gebühr übernehmen Mittelsmänner die ausgemusterten Schiffe der Reedereien und überführen und verkaufen sie an die Abwrackhäfen entlang der Küste bei Chittagong, wo sie zerlegt werden. 2) Das Geschäft lohnt sich: Einige der gewonnenen Materialien werden exportiert, der Großteil im Land selbst verkauft und wiederverwertet. Die Arbeit in den Abwrackhäfen ist von großer Bedeutung für die Wirtschaft des rohstoffarmen Landes. Schätzungen zufolge stammen bis zu 80% des in Bangladesch verwendeten Stahls aus den Rümpfen der bei Chittagong zerlegten Schiffe. 3)

Die stählernen Kolosse werden fast ausschließlich in Handarbeit abgebaut. Sind die Schiffe in der Bucht auf Grund gesetzt, gehen die Arbeiter ans Werk: Mit Schweißbrennern zerlegen sie die Rümpfe, große Teile werden zur Weiterverarbeitung mit elektronischen Winden an Land gezogen. Mehr Gerät ist meist nicht im Einsatz. Der Großteil der Beschäftigten trägt keinerlei Schutzkleidung wie Handschuhe, Helme oder Schutzbrillen. Barfuß oder in Sandalen verrichten sie ihr Werk. 4) Da die Schiffe ohne jegliche Vorreinigung angeliefert werden, sind die Arbeiter giftigen Stoffen wie Asbest oder Arsen ausgesetzt und atmen toxische Dämpfe ein. Immer wieder kommt es zu Gasexplosionen und Bränden. 3) Durchschnittlich kommt ein Arbeiter pro Woche in den Werften Bangladeschs zu Tode, Verletzungen sind an der Tagesordnung – von den gesundheitlichen Langzeitfolgen einmal abgesehen. 4) Und auch die Umwelt leidet: Tonnen von Öl und giftigen Chemikalien werden einfach ins Meer geleitet, in der Luft hängt ein fauliger Geruch, der Sand ist schwarz und verklebt. 2) Über die Arbeit in den Abwrackwerften wird in den Medien häufig mit spektakulären Bildern berichtet, Kritik richtet sich vor allem auf die Umweltverschmutzung. Doch ein Aspekt wird dabei meist vergessen:

Die billigsten Arbeitskräfte sind – wie sollte es anders sein – Kinder und Jugendliche. Knapp 11% Prozent der Beschäftigten sind unter 18 Jahre alt. Viele von ihnen jedoch jünger als 15. Für umgerechnet etwa 50 Cent am Tag – auch in Bangladesch ein Hungerlohn – arbeiten sie als Schweißer und schleppen kleinere Stahlteile über das Areal. Der Arbeitstag beginnt für die Kinder bei Sonnenaufgang und endet bei Sonnenuntergang, sofern sie nicht für die Nachtschicht eingeteilt sind. Begleitende Erziehungsmaßnahmen oder Schulen gibt es nicht. 4) Schätzungen zufolge sind knapp die Hälfte aller Arbeiter Analphabeten. 3) Der 16-Jährige Samhan Ali erzählt: „Ich habe in der Werft gearbeitet seitdem ich 13 war. Nach dem Unfalltod meines Vaters habe ich seinen Platz eingenommen. Jetzt bin ich arbeitslos.“ Doch andere sind noch jünger, wenn sie ihren Dienst antreten. Der heute 19-Jährige Hassan Badsha zum Beispiel. Er erzählt, dass er bereits im Alter von sechs Jahren die Arbeit auf dem Schiffsfriedhof aufgenommen habe. 2)

Und das, obwohl Bangladesch 1990 die UN-Kinderrechtskonvention (UNCRC) ratifiziert und eine Reihe von Gesetzen zum Schutz von Kindern in der Verfassung verankert hat. Darunter die Verbote von gefährlicher Kinderarbeit und der Einbindung von Kindern in Schwerarbeit. 4) Doch was auf dem Papier steht, muss nicht in der Realität gelten.

Der Staat verfügt nur über wenig Geld und die Einhaltung der Gesetze wird nur mangelhaft oder überhaupt nicht überprüft. Die Abwrackwerften spülen Steuern in die Staatskassen und kurbeln die Wirtschaft an. 5) Zudem ist – wie so oft – Korruption und Vetternwirtschaft weit verbreitet. Die Betriebe befinden sich im Besitz von Politikern, deren Verwandten oder einflussreichen Geschäftsleuten. So überrascht es wenig, wer hier von der Politik profitiert. 6) Doch in der Verantwortung steht auch die internationale Staatengemeinschaft, insbesondere die EU, da sich der Großteil der Weltflotte im Besitz europäischer Reedereien befindet. Einen kleinen Anlass zur Hoffnung gibt die internationale Hongkong-Konvention von 2009, die das Recycling ausgedienter Schiffe ab 2020 im Detail regeln soll. Dabei werden neben ökologischen Aspekten auch Arbeitnehmer- und Kinderrechte berücksichtigt. Nach Inkrafttreten werden die Vertragsparteien verpflichtet sein, ihre Handelsschiffe nur in Ländern abzuwracken, die ebenfalls Vertragsparteien der Konvention sind. 7)

(Foto: Stéphane M Grueso, Madrid, Spain)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Slate: Dirty, dangerous and deadly: The shipbreaking yards of Bangladesh – aufgerufen am 17.10.2013
  2. Worldcrunch: The wretched face of globalization hiding in a ships’ graveyard in Bangladesh – aufgerufen am 17.10.2013
  3. Gcaptain: Ship breaking in Bangladesh – the graveyard of giants – aufgerufen am 17.10.2013
  4. Shipbreakingbd: Worker rights violation – aufgerufen am 17.10.2013
  5. gcaptain: Ship breaking in Bangladesh – the graveyard of giants – aufgerufen am 17.10.2013
  6. worldcrunch: The wretched face of globalization hiding in a ships’ graveyard in Bangladesh – aufgerufen am 17.10.2013
  7. Eur-lex – aufgerufen am 17.10.2013



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