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Dokumentation: „Syriens Kinder – In der Hölle des Bürgerkrieges“

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

„Bitte lasst es vorbei sein. Wir müssen einen Ausweg finden. Wir können nicht noch mehr ertragen.“ Das sind die letzten Worte der achtzehnjährigen Siham. Sie erlag wenig später ihren schweren Verbrennungen. Eine Brandbombe hatte in ihrem Schulhof eingeschlagen.

Am vergangenen Montag lief in der ARD die Reportage „Syriens Kinder – In der Hölle des Bürgerkrieges“. Es sind schockierende Bilder, die das unendliche Leid der Bevölkerung zeigen. Die Dokumentation begleitet zwei Ärztinnen der britischen Hilfsorganisation „Hand in Hand for Syria“, die sich bis in die stark umkämpften Gebiete im Norden des Landes wagten, um den Menschen dort, wo jegliche medizinische Versorgung zusammen gebrochen ist, zu helfen. Die Situation ist jedoch aussichtslos. Es gibt kaum Medikamente, keine Ausstattung, um Kinder oder Babys versorgen zu können, viel zu viele Verletzte. Plötzlich fallen wieder Bomben und die Ärztinnen werden dazu gedrängt, das Dorf zu verlassen. Die Bewohner glauben, dass es mit ihrem Besuch zu tun hat, denn seit dem Beginn des Krieges in Syrien sind vor allem Krankenhäuser und Schulen Ziel von Angriffen.

Beinahe zwei Drittel der Kinder besuchen derzeit keine Schule mehr. Zu viele Gebäude sind zerstört und oft ist es schlichtweg zu gefährlich. Der Schulbesuch würde den Kindern jedoch eine Kontinuität, eine Flucht aus dem umgebenden Leid geben, die sie so bitter nötig hätten. 1) In den vergangenen Monaten hat die syrische Armee mindestens 56 Mal Schulen mit Brandbomben beschossen, die besonders verheerende Auswirkungen haben. 2) Vor allem in den Gebieten, die von Rebellen besetzt sind, werden auch immer wieder Krankenhäuser Ziele von Anschlägen, um zu verhindern, dass kranke, alte und verletzte Menschen Hilfe bekommen. 3) Dies alles sind Kriegsverbrechen unglaublichen Ausmaßes, seitens der Syrischen Armee. Die beiden Ärztinnen von „Hand in Hand for Syria“ vermuten jedoch, dass die Rebellen oft genauso rücksichtslos vorgehen.

Die Auswirkungen des Krieges, der bisher mehr als 100 000 Opfer forderte, sind für Kinder besonders schlimm. Zwei Millionen Schüler können nicht mehr zur Schule gehen. Die Chance auf eine gute Zukunft bleibt ihnen so weitgehend verwehrt. Wer kann, flieht in den Libanon, doch dort spitzt sich die Lage mehr und mehr zu. Mehr als 400 000 Kinder erhoffen sich dort einen Platz in einem überfüllten Klassenzimmer. Die Klassengrößen haben sich mittlerweile verdoppelt und die Lehrer arbeiten zweimal so viel wie zuvor. Oft bekommt nur ein Kind einer Flüchtlingsfamilie die Möglichkeit auf Bildung. Vor allem die Mädchen müssen dann zu Hause bleiben und auf jüngere Geschwister aufpassen und den Haushalt führen. Viele finden Arbeit im Baugewerbe, auf Feldern oder in der Gastronomie – illegal. Sexueller Missbrauch ist keine Seltenheit. 4)

Die Hilfsorganisationen stoßen in Syrien an ihre Grenzen. Immer wieder werden Hilfskonvois überfallen, humanitäre Helfer gekidnappt oder getötet. 5) 6) 7) Die Mitarbeiter können sich nicht frei im Land bewegen, sondern müssen mit staatlichen Akteuren zusammenarbeiten.  8) Spenden gelangen häufig nicht in die Gebiete, in denen sie am dringendsten benötigt werden. Das Meiste landet in den von Präsident Assad kontrollierten Gebieten, während Wege in die besonders umkämpften und bedürftigen Gebiete im Norden von der Regierung blockiert werden. Die Regierung wird nach wie vor von der UNO anerkannt. Das macht ein Eingreifen besonders schwierig, denn dadurch kann das Regime kontrollieren, wie und wohin Hilfe ins Land kommt. 9)

Doch warum dauert der Krieg nun schon so lange an und warum gelingt es der Weltgemeinschaft nicht, einzugreifen und das sinnlose Blutvergießen zu beenden? Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Politiker verschiedener Länder warnen vor einer militärischen Intervention in Syrien wegen der Gefahr eines Flächenbrandes in der Region. Laut Völkerrecht ist ein Militäreinsatz nur möglich, wenn im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mindestens neun der 15 Mitglieder für ein Eingreifen stimmen. Die ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritannien können jedoch Veto einlegen. Im Falle Syriens haben sowohl Russland, als auch China davon Gebrauch gemacht. Russland sperrt sich gegen ein militärisches Eingreifen und fordert stattdessen eine politische Lösung. Für die USA und andere westliche Staaten ist allerdings der Sturz der Regierung um Präsident Baschar al-Assad eine Vorbedingung für diplomatische Verhandlungen. Vor mehr als einem Jahr verurteilte bereits der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Menschenrechtsverletzungen und Gewaltanwendung gegen Zivilisten in Syrien. Alle Seiten wurden zum sofortigen Ende der Gewalt und zu größtmöglicher Zurückhaltung aufgerufen. 10) 11)

Während die Politiker also weiter um eine Einigung im gemeinsamen Vorgehen ringen, wird das Leid der Bevölkerung von Tag zu Tag schlimmer. Etwa 2,2 Millionen Syrer sind derzeit in Flüchtlingscamps in den Nachbarländern untergebracht. Ein Großteil davon sind Frauen und Kinder. Die meisten Camps platzen bereits aus allen Nähten, doch täglich kommen neue Flüchtlinge an. Die humanitäre Lage ist kritisch. Es gibt zu wenige Unterkünfte, Nahrungsmittel sind knapp und die sanitären Anlagen sind häufig in katastrophalem Zustand. 12)

Die Dokumentation „Syriens Kinder – In der Hölle des Bürgerkrieges“ zeigt, wie Abwässer aus den Toilettenanlagen ungehindert durch ein Lager bis in die Brunnen für Trinkwasser fließen. Krankheitserreger, von denen es dort ohnehin sehr viele gibt, verbreiten sich dadurch rasend schnell. Medikamente gibt es keine.

Die Syrer werden noch lange nach Beendigung des Krieges mit den Folgen kämpfen. Viele von ihnen haben ihr gesamtes Hab und Gut, ihre Heimat und ihre Familie verloren. Eine ganze Generation Kinder ist psychisch geschädigt und wird vermutlich etliche Jahre ohne Zugang zu ausreichend Bildung heranwachsen.

Bald kommt der Winter. Die zugigen Notunterkünfte bieten keinerlei Schutz und schon jetzt frieren die Flüchtlinge, weil es nicht genügend Decken und warme Kleidung gibt. Hilfe wird jetzt mehr denn je gebraucht.

Ausschnitt aus der Dokumentation auf Youtube

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. UNRWA: Back to School at UNRWA: Over 50% of Agency Schools in Syria Closed Due to Conflict
  2. POLITICO: Incendiary bombs are killing kids in Syria
  3. REUTERS: Syria attacks hospitals, denies healthcare as ‚weapon of war‘: U.N
  4. THE VANCOUVER SUN: Syria’s war on children – Link zum Artikel nicht mehr aufrufbar am 14.03.2014
  5. DEUTSCHLANDFUNK: Dschihad gegen westliche Helfer
  6. SPIEGEL ONLINE: Bürgerkrieg in Syrien: Sieben Nothelfer vermisst
  7. CARITAS: Syrien: Humanitäre Hilfe im Konflikt
  8. ADOPT A REVOLUTION: Trotz vieler Gefahren und Hindernisse leisten internationale Hilfsorganisationen Unterstützung in Syrien
  9. SPIEGEL ONLINE:  Humanitäre Hilfe für Syrien: Konvois erreichen nur von Assad kontrollierte Regionen
  10. SUEDDEUTSCHE: Warum die Nato in Syrien nicht eingreifen wird
  11. WIKIPEDIA: Bürgerkrieg in Syrien
  12. SCHÜLER HELFEN LEBEN: Interview mit Mario Rizzi – nicht mehr verfügbar



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