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Brasilien macht es den USA vor: Verbot von Kinderarbeit in der Tabakproduktion

 |  Bild:  © Andjic - Dreamstime.com

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„Es war schrecklich. Als wäre etwas in meinem Kopf, das versucht, ihn aufzufressen.“, so schildert ein 12-jähriger Junge in North Carolina gegenüber Human Rights Watch seine Kopfschmerzen bei der Arbeit im Tabakfeld. Noch immer werden in den Vereinigten Staaten Kinder, die nach US-Gesetz zu jung zum Konsum von Alkohol und Zigaretten sind, auf Tabakplantagen giftigen Pestiziden und Nikotin ausgesetzt. 1) Währenddessen sorgte Brasilien für besseren Arbeitsschutz in den Feldern und erhöhte das Mindestalter für die Arbeit in den Tabakfeldern auf 18 Jahre.

In den Vereinigten Staaten beträgt das legale Mindestalter für die Arbeit in den Tabakfeldern 12 Jahre.  In der landwirtschaftlichen Arbeit herrschen laxere Arbeitsschutzgesetze und ein niedrigeres Mindestalter als in jedem anderen Arbeitssektor – die Arbeiter sind jünger, arbeiten länger und in einem gefährlicheren Umfeld. Mit der Einverständniserklärung der Eltern können sogar Kinder unter 12 Jahren auf kleinen Farmen mit einem anwesenden Familienmitglied arbeiten. Ab 12 Jahren gibt es außerhalb der Schulzeiten keine Regulierung der Arbeitszeiten. 2) Die USA sind das einzige Land, das die UN-Kinderrechtskonvention noch nicht ratifiziert hat. Auch deshalb gibt es wenig Berichte über ausbeuterische Kinderarbeit – beispielsweise von Migrantenkindern – in den USA, weil keine Berichtspflicht gegenüber der UN besteht. 3)

Für Kinder und Jugendliche, die sich noch immer in der körperlichen Entwicklung befinden, birgt die Arbeit auf dem Tabakfeld erhebliche Gefahren: Meist bekommen die Kinder weder Arbeitskleidung noch ein Sicherheitstraining gestellt. Oft arbeiten sie in extremer Hitze und machen Überstunden – für einen geringen Lohn. 2) Um sich vor Nässe zu schützen, stellen die Kinder ihre Arbeitskleidung selber aus Müllsäcken her. Bei Niederschlag wird die Aufnahme von Nikotin und von Pestiziden über die Tabakblätter begünstigt, was erhebliche Gesundheitsrisiken zur Folge hat. Durch die Aufnahme von Nikotin und Pflanzenschutzmitteln wird das zentrale Nervensystem angegriffen. Viele Kinder klagen über Schwindelgefühl und starke Kopfschmerzen. Unmittelbare Folgen sind extreme Konzentrations- und Lernschwierigkeiten, oft äußert sich die gesundheitliche Belastung auch in Depressionen. Langzeitfolgen sind Krebs und Unfruchtbarkeit. 4)

Meist arbeiten die Kinder, um ihre Familien zu unterstützen. Dabei müsste aber vom Staat für mehr Arbeitsschutz, Aufklärung über Arbeitsrechte, angemessene Schutzkleidung und Waschmöglichkeiten gesorgt werden. Besonders Kinder, die sich als illegale Migranten in den USA aufhalten, sind enormen Risiken ausgesetzt: Das Einkommen ist für sie oft überlebensnotwendig. Weil sie aber ständig der Angst ausgesetzt sind, abgeschoben zu werden, können sie prekäre Arbeitsbedingungen nicht kritisieren. Damit sind sie besonders verletzlich für Ausbeutung. 5)

2014 wurde erstmals seit 20 Jahren eine Revision der Arbeitsschutzbedingungen in den Vereinigten Staaten geplant. Angedacht war zu dem Zeitpunkt noch das Mindestalter von 16 Jahren für die Anwendung von Pestiziden und das Betreten von Feldern, die kürzlich mit Pestiziden besprüht wurden. Bis jetzt wurden diese Revisionen in den USA noch nicht durchgesetzt. 6)

In Brasilien ist die Arbeit von Minderjährigen unter 18 Jahren auf den Tabakfeldern verboten. Die Arbeiter und Farmbesitzer erhalten Schulungen und Infomaterial über Arbeitsschutz in den Feldern. Auch Schutzkleidung wird an die Farmbesitzer verliehen. Die gesundheitlichen Risiken waren dem Großteil der Farmbesitzer, die bei einer Studie von Human Rights Watch befragt wurden, bewusst. Die Schutzmaßnahmen wurden von allen wahrgenommen. Die meisten Interviewten gaben an, dass sie für die Risiken, denen Kinder und Jugendliche bei der Arbeit in den Tabakfeldern ausgesetzt sind, sensibilisiert wurden. 4) Durch kostenlose Nachmittagsprogramme in Schulen wurde die Kinderarbeit in brasilianischen Tabakfeldern enorm eingedämmt und die Bildungschancen auch für arme Kinder maximiert. 7)

Zunehmend reagieren auch große US-Tabakunternehmen auf die Vorwürfe der Missstände und setzen das Mindestalter bei ihren Zulieferern auf 18 Jahre. Außerdem haben einige Unternehmen Richtlinien für bessere Arbeitsbedingungen zum Schutz der Gesundheit entwickelt. Die USA sind der viertgrößte Tabakproduzent weltweit, Brasilien nimmt den zweiten Platz ein. 8)

Unabdingbar für die Verminderung der Kinderarbeit wäre es, den Arbeitern faire Löhne zu zahlen. Damit müssten Kinder nicht mehr zum Einkommen ihrer Eltern beitragen. In Hinblick auf die Milliardenprofite im Tabakgeschäft erscheint diese Forderung nicht abwegig. 4) Während der Konsument durch Warnungen vor Gesundheitsschädigungen auf Zigarettenschachteln zunehmend sensibilisiert wird, sollte auch die Gesundheit der Arbeiter auf US-Farmen einen höheren Stellenwert in der öffentlichen Debatte einnehmen.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Human Rights Watch: USA: Gefährliche Kinderarbeit auf Tabakplantagen – Stand 17.03.2016
  2. Aljazeera America: Report: Child workers on US tobacco farms face hazardous conditions – Stand 17.03.2016
  3. tagesschau: „Kinderrechte müssen ins Grundgesetz“ – Stand 17.03.2016
  4. Human Rights Watch: Tobacco’s Children. Brazil sets an Example for the U.S. – Stand 17.03.2016
  5. Aljazeera America: In tobacco fields, laboring teens face grave dangers – Stand 17.03.2016
  6. Human Rights Watch: Dispatches: Finally – US to Protect Child Farmworkers From Pesticides – Stand 17.03.2016
  7. International Labour Organization: BRAZIL – Paulos Story – Stand 17.03.2016
  8. Inter Press Service News Agency: Child Labour on US Tobacco Farms: A Stubborn Problem in a Billion-Dollar Industry – Stand 17.03.2016



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