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Türkisches Gericht bricht mit ländlicher Heiratspolitik

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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Ein türkisches Gericht in Zongdulak verurteilte jetzt einen 20-Jährigen zu 8 Jahren und 4 Monaten Haft wegen sexuellen Kindesmissbrauchs. Der Verurteilte hatte mit seiner 14-jährigen Cousine Geschlechtsverkehr, als diese wenige Tage bei ihrer Tante verbringen musste. Die eigenen Eltern mussten aufgrund eines Arztbesuches in eine weiter entfernte Stadt reisen und gaben ihre Tochter deshalb in Obhut ihrer Tante.

Auch der Vater der Minderjährigen sowie die Mutter des 20 Jahre alten Mannes wurden zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Ihnen wirft das Gericht vor zum Kindesmissbrauch des türkischen Mädchens Beihilfe geleistet zu haben.

Obwohl die Türkei längst Gesetze zum Verbot von Beischlaf mit Minderjährigen sowie gegen Kindesehen erlassen hat, erhält sich ein beinahe traditionelles System der Heiratspolitik in den ländlichen Regionen der Nation. Familien, deren Kinder missbraucht oder in denen unehelicher Geschlechtsverkehr mit minderjährigen Familienangehörigen vorgenommen wurde, sehen sich gezwungen, ihre Töchter mit den offensichtlichen Tätern zu verheiraten. Zur Ehrerhaltung der betroffenen Familien werden so nachträglich akzeptable Familienverhältnisse geschaffen. Jede dritte – abhängig von der Region teilweise sogar jede zweite Türkin – wird bereits in minderjährigem Alter verheiratet.

Die Tochter gibt zwar an, dass der Gechlechtsverkehr in gegenseitigem Einvernehmen zustande kam, das Gericht bewahrte hingegen eine strikte Linie und erklärte das Mädchen für unmündig und damit auch für unfähig eine solche Entscheidung zu treffen. Das Verfahren entstand äußerst zufällig und führte trotz allem zu einem bahnbrechenden Urteil. Nie geriet ein Rechtsverstoß dieser Art vor ein nationales Gericht. Die ländlichen Regionen betreiben mit ihrer Heiratspolitik weitgehend Selbstjustiz. Kläger sucht man so vergebens.

Nachdem der 20-Jährige im Juni 2011 mit dem Mädchen Geschlechtsverkehr hatte, sah sich der Vater gezwungen, seine Tochter mit dem jungen Mann zu vermählen. Aus Unmut über das Geschehen blieb er der Hochzeit fern, geriet später jedoch in einen Rechtsstreit mit der Schwiegermutter bezüglich des Brautgeldes von ca. 900 €. Das Gericht interessierte sich genauer für den Fall, stellte das Verfahren wegen des Geldes ein und verurteilte die Benannten kurzerhand. Es schafft damit einen Präzedenzfall der dabei wohlmöglich stärkere Einflüsse auf die Heiratspolitik türkischer Familien haben könnte, als die nationale Gesetzgebung dazu in der Lage gewesen wäre. 1)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Der Tagesspiegel – Kinderehe in der Türkei Schutz für anatolische Mädchen



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