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Kinderarbeit unter Afro-Uruguayern

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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Denkt man an dunkelhäutige Menschen, so verortet man diese meistens automatisch in Afrika, manchmal vielleicht noch in den Vereinigten Staaten und in der Karibik. Was viele oft vergessen: Auch in Südamerika ist ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung von schwarzer Hautfarbe, und das gilt nicht nur für Brasilien, sondern auch für andere Länder wie Argentinien, Bolivien, Peru – oder Uruguay.

Neuesten Statistiken zufolge sind 8,4% der dort lebenden Menschen sogenannte Afro-Uruguayer, andere Quellen sprechen gar von 10,6%. Bezieht man nur 5- bis 17-Jährige mit ein, so liegt der Anteil gar bei 13,4%. 1)

Dieser beachtliche Prozentsatz kommt durch die exzessive Nutzung von afrikanischen Sklaven im 19. Jahrhundert zustande. Leider müssen auch heute noch viele minderjährige Afro-Uruguayer hart arbeiten – laut der aktuellen Studie „Trabajo infantil en niños, niñas y adolescentes – Afrodescendientes en Uruguay“ (Kinderarbeit bei Jungen, Mädchen und Jugendlichen afrikanischer Abstammung in Uruguay) sind es zurzeit exakt 27.485, was einem besorgniserregend hohen Anteil von 29,8% entspricht. Zum Vergleich: Bei den hellhäutigen Altersgenossen liegt diese Quote bei immer noch enormen 27,8%. Besonders erschreckend: 58% aller Afro-Uruguayer müssen diese Arbeit ohne jegliche Bezahlung verrichten. 2)

Generell lässt sich – logischerweise – erkennen, dass der Anteil an arbeitenden Kindern mit zunehmendem Alter ansteigt. So gehen 59% aller dunkelhäutigen 15- bis 17-Jährigen einer beruflichen Tätigkeit nach, gleiches lässt sich jedoch „nur“ über 26,6% der 9- bis 14-Jährigen sagen. Bei 5- bis 8-Jährigen liegt der Prozentsatz noch immer bei 5,2%. Als besonders betroffen gelten hierbei neben der Hauptstadt Montevideo auch die Regionen Artigas, Rivera und Tacuarembó. 3)

Durch die Arbeit werden die Kinder fatalen Folgen ausgesetzt, ganz gleich ob in Hinsicht auf Gesundheit, Bildung oder Freizeit. In der Studie werden solche negativen Konsequenzen als Risikoindikatoren bezeichnet. Demnach erfüllen 25.146 Kinder und Jugendliche mindestens eines der Kriterien – das sind 91,5% aller arbeitenden, minderjährigen Afro-Uruguayer. Gleiches lässt sich über 81,5% aller weißen Kinderarbeiter sagen. Insgesamt lassen sich gar bei 38,6% aller dunkelhäutigen Betroffenen drei bis vier Risikoindikatoren feststellen – bei 15,6% sind es sogar mindestens fünf. Äquivalent dazu sind 28,2% ihrer weißen Altersgenossen drei bis vier Risikoindikatoren ausgesetzt, 11,5% fünf oder mehr. 4)

Es lässt sich schnell erkennen: Die schwarze Bevölkerungsgruppe ist klar benachteiligt. Ähnlich gilt übrigens auch für das weibliche Geschlecht – je nach Altersstufe müssen zwischen 50 und 55% aller Mädchen arbeiten, bei Jungen liegt der Wert zwischen 45 und 50%. Sollten sie doch arbeiten müssen, so müssen dies zwischen 32 und 38% aller Jungen komplett unbezahlt verrichten – bei den Mädchen sind es zwischen 62 und 67%. 5)

Zumindest für die schlechtere Situation afro-uruguayischer Kinder lassen sich schnell Erklärungsansätze herauslesen. Hauptgrund ist, wie in so vielen Fällen, die überdurchschnittliche Armut – man geht davon aus, dass zwischen 40 und 50% aller schwarzen Uruguayer unterhalb der Armutsgrenze leben, der Landesschnitt liegt bei 27%. Insgesamt befinden sich 27,6% aller Afro-Uruguayer im untersten Fünftel der Einkommenstabelle, lediglich 8,7% schaffen es ins oberste Fünftel. Dagegen befinden sich lediglich 18,6% aller hellhäutigen Uruguayer im untersten Fünftel, dafür aber 21,8% im obersten. 6)

Eng damit verflochten ist ein immer noch latent vorherrschender Rassismus – so konnte die Studie zahlreiche Erlebnisberichte von offener Diskriminierung sammeln. Oft kommt es vor, dass dunkelhäutigen Arbeitssuchenden bei einer Bewerbung ohne Begründung angesagt wird, besonders im Handelssektor. Das vereinfacht die Problematik natürlich nicht. Höhere Arbeitslosigkeit manifestiert sich im Durchschnittseinkommen, und ohnehin gibt es Defizite im Bildungsbereich – so ist die Quote an Schulabbrechern unter Afro-Uruguayern höher als beim demographischen Mittel. 7) Auch ist die dunkelhäutige Bevölkerungsgruppe parlamentarisch unterrepräsentiert, Stand 2009 ist lediglich ein einziger Abgeordneter ins höchste legislative Organ vorgedrungen. 8)

An gesetzlicher Basis, um das Übel zu bekämpfen, mangelt es nicht. So hat Uruguay 1990 die Kinderrechtskonvention der UNO ratifiziert – darin werden unter anderem ein Diskriminierungs-Verbot (Artikel 2), das Wohl des Kindes als vorrangiger Gesichtspunkt (Artikel 3) und die Berücksichtigung des Kinderwillens (Artikel 12) erwähnt. 9) Auch spricht sich Artikel 54 der nationalen Verfassung ausdrücklich gegen Arbeit von Minderjährigen aus. 10) Ebenso wurde mit dem Gesetz N° 17.817 eine rechtliche Grundlage, welche sich explizit gegen Rassismus, Xenophobie und Diskriminierung wendet, erlassen. 11)

Bis all diese Rechtsordnungen vollständig umgesetzt werden, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Nichtsdestotrotz muss betont werden, dass Ressentiments gegenüber Afro-Uruguayern allmählich schwinden – Besserung ist also durchaus in Sicht. 8)

Das dürfte den momentan betroffenen Kinder freilich gleich sein, haben sie doch mit dem aktuellen Status quo zu kämpfen – der oben genannten Studie zufolge klagen 36,7% aller arbeitenden Minderjährigen über physische Probleme, 3,8% berichten gar von Misshandlungen. Und auch hier ist der allgemeine Trend, der sich wie ein roter Faden durch alle Statistiken zieht, erkennbar: Bei dunkelhäutigen oder weiblichen Kinderarbeitern ist der Prozentsatz nämlich bedeutend höher.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. URUGUAY – Travail des mineurs et discrimination due au sexe chez les enfants afro-uruguayens – Chrétienté.info – Französisch
  2. Trabajo infantil en niños, niñas y adolescentes – Afrodescendientes en Uruguay – PDF-Datei – Seite 43f. – Spanisch
  3. siehe 2 – Seite 17f.
  4. siehe 2 – Seite 44f.
  5. siehe 2 – Seite 47
  6. siehe 2 – Seite 50
  7. Die Route des Sklaven und der interkulturelle Dialog zwischen Afrika und Lateinamerika – Beyond Journalism Blog – nicht mehr verfügbar
  8. Bericht/041: Uruguay – Afrikanisches Herz (Südwind) – Schattenblick
  9. UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut – Kid Verlag
  10. Constitución de la República (nicht mehr verfügbar) – Poder Legislativo de Uruguay – Spanisch
  11. Lucha contra el racismo, la xenofobia y la discriminación (nicht mehr verfügbar) – Poder Legislativo de Uruguay – Spanisch



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