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„Damals wollte ich ein Fussballstar sein“, Kurzgeschichte von Jaira Hoffmann

Die Schülerin Jaira Hoffmann hat uns gebeten, eine Kurzgeschichte zu veröffentlichen, die sie im Rahmen eines Ideenprojekts der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) zum Thema „Kinderarbeitsfreie Zone“ nach gründlicher Recherche verfasst hat.
„Mama, Papa, ich hab euch lieb! Bald komme ich zurück zu euch, dann könnt ihr richtig stolz auf mich sein.“
Ich knie auf der Ladefläche eines Pritschenwagens.
Das Auto fährt ruckartig an, ich verliere kurz das Gleichgewicht und stoße mir meinen verletzten Knöchel. Aua, das hat wehgetan!
Traurig winken mir meine Geschwister Jared, Malia, Zane und Neila zu. Ana kann noch nicht winken, dazu ist sie noch zu klein. Sie kann nur mit den Armen fuchteln, sabbern, schreien und fröhlich vor sich hinbrabbeln.
Meine Mama wischt sich mit einem Tuch die Tränen fort, die ihr über die Wangen rinnen. Sie winkt auch.
Dann dreht sie sich um. Sie hat noch so viel zu tun.
Aber sie müssen nicht traurig sein!
Die Männer haben versprochen, mich zum Fußballstar auszubilden. Deswegen nehmen sie mich mit! Ich spiele für mein Leben gern Fußball.
Ich habe Hunger, doch bald werde ich satt sein.
Ich werde endlich in einem eigenen Bett schlafen können. Ein ganzes Bett, nur für mich alleine!
Der Wagen holpert über einen Stein, ich hüpfe hoch und lande schon wieder unsanft auf meinem Knöchel.
Ich werde endlich zu einem Arzt gehen können, haben die Männer zu meinen Eltern gesagt.
Sie haben mit verschränkten Armen vor unserer Hütte gestanden und meine Eltern abwartend angesehen. Dann haben Mama und Papa in der Hütte lange miteinander geredet.
Und danach sind sie zu mir gekommen und haben gesagt, dass ich mit den Männern weit fort gehen werde, um ein besseres Leben zu führen.
„Wir werden dich so vermissen. Gott segne dich!“, hatte Mama geflüstert, mich fest an ihre Brust gedrückt und mir sanft über die Haare gestrichen. In ihren Augen hatten Tränen geglitzert. Hallo, ich heiße Yan und bin neun Jahre alt.
Das ist meine Geschichte:
Mit einem Bus voller Kinder bin ich auf den holprigen Straßen Malis Richtung Süden gefahren. Dabei habe ich Kaami kennen gelernt. Er arbeitet jetzt auf derselben Plantage wie ich.
Mit Motorrädern haben uns die Männer über die Grenze in ein anderes Land gebracht. Kaami sagt, es sei die Côte d’Ivoire, aber genau weiß ich das nicht.
Hier auf der Plantage leben noch mehr Kinder.
Jeden Morgen stehen wir mit der Sonne auf und beginnen zu arbeiten.
Die Kakaobäume müssen gespritzt, die reifen Früchte geerntet und die Samen herausgepult werden.
Außerdem helfen wir, diese in dem Ofen zu trocknen.
Ich kann mir nichts vorstellen, das noch heißer wäre als die Luft in dem Raum, in dem der Ofen steht. Ich glaube, in diesem Raum ist es genauso heiß, wie im Ofen selbst.
Es gibt viel zu tun für uns Kinder!
Die wenigen erwachsenen Männer, die hier leben, arbeiten nicht mit uns, sondern passen nur auf, dass wir alles richtig und keine Pausen machen.
Wenn man sich nicht genug anstrengt, schlagen sie einen.
Wenn ich morgens aufwache, habe ich meistens starke Rückenschmerzen.
Das liegt einmal daran, dass der sandige Boden, auf dem wir schlafen, so furchtbar hart ist.
Der andere Grund sind die schweren Säcke, in denen wir die geernteten Bohnen zum Lagerhaus tragen müssen, wo sie dann im Ofen getrocknet werden.
Manchmal denke ich, mein Rücken müsse durchbrechen, aber bisher ist das noch nicht passiert.
Ich bin so müde und habe das Gefühl, als friere und schwitze ich gleichzeitig. Alles an mir zittert, meine Arme, Beine, Hände und besonders meine Zähne klappern.
Kaami sieht besorgt zu mir herüber. Heute werde ich nicht gut arbeiten können.
Ich habe Angst vor den Schlägen der Aufseher und versuche, das Zittern zu unterdrücken.
Heute muss ich die Kakaobäume mit einer Flüssigkeit besprühen. Ich weiß nicht, was diese Flüssigkeit genau ist, ich kann ja nicht lesen. Aber sie hilft, dass die Bäume besser wachsen und wir mehr Kakaofrüchte ernten können.
Mist! Aus Versehen habe ich etwas von der kostbaren Flüssigkeit verschüttet.
Pandu, einer der Aufseher, sieht mmich wütend an und schlägt mich wortlos mit seinem Stock.
Wimmernd gehe ich in die Knie.
Und noch ein Schlag, mitten auf den schmerzenden Rücken.
Ich merke, wie mir Tränen über das Gesicht laufen, hastig wische ich sie weg.
Keiner außer Kaami mag mich, mit den stechenden Blicken der Aufseher im Rücken mache ich immer alles verkehrt, und ganz egal wie sehr ich mich auch bemühe, nie sind die Männer mit mir zufrieden.
Nie sagt mir jemand, dass er mich lieb hat.
Mama hat mich immer stolz „ihren Großen“ genannt und mich in den Arm genommen, wenn es mir nicht gut ging.
Mein Magen krampft sich zusammen. Ich fühle mich so elend. Mein Bauch und mein Kopf tun weh.
Dann muss ich mich übergeben. Direkt neben die wertvolle Kakaopflanze.
Die Schläge kommen schnell – hart und unbarmherzig.
„Jetzt mach’ schon! Sitz’ nicht so faul im Schatten herum! Wenn du heute Mittag deinen Bohnen bekommen willst, dann musst du dafür auch arbeiten. Hier werden keine faulen Kinder durchgefüttert!“
Die Bohnen. Eigentlich habe ich immer Hunger und wenn ich die wenigen Bohnen nicht esse, dann sterbe ich. Zumindest fühlt es sich so an.
Heute Nacht ist Vollmond, hat Kaami gesagt.
Deswegen arbeiten wir heute auch noch ein paar Stunden länger, als die Sonne scheint.
Ich werde hier nicht zum Fußballstar ausgebildet.
Es ist ein böser Ort.
Mama, ich vermisse dich so!
Mein einziger Wunsch ist es, zu dir zurückzukehren.
Einfach nur nach Hause zu kommen.




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