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Alarmierende Anzahl an Kinderbräuten unter syrischen Flüchtlingen steigt und steigt

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Das Verheiraten von minderjährigen Mädchen ist in Syrien nichts Unbekanntes 1). Trotzdem stellt es eine sehr unübliche Praxis in den gebildeten Schichten dar. 2) Doch aufgrund des wütenden Krieges ist eine Hochzeit im Kindesalter die Realität für viele geflüchtete Mädchen geworden. Dabei handelt es sich um weibliche Minderjährige, überwiegend im Alter von 13 bis 14 Jahren, im Einzelfall auch Neunjährige, die an Erwachsene, (sehr) viel ältere Männer gegeben werden. Jedes Jahr steigt der Anteil der mit minderjährigen Mädchen geschlossenen Ehen in den Flüchtlingslagern. 3), 4)

Doch wie kommt es zu solch einer großen Anzahl an Kinderehen unter Geflüchteten in Zeiten geprägt von großer Not?

Der meist genannte Grund für eine Hochzeit ist die finanzielle Lage der Familien der Mädchen. 4) Eine zu versorgende Tochter, die auf Schutz von einem männlichen Familienmitglied angewiesen ist, stellt eine große Belastung dar. Eine Hochzeit und die damit verbundene Mitgift ist wiederum eine Geldquelle. Der Durchschnittspreis für ein syrisches Mädchen in jordanischen Flüchtlingslagern beträgt derzeit 1200 US$. Andererseits ist nach der Hochzeit ein Familienmitglied weniger mit Nahrung und Kleidung zu versorgen. Somit ist die Hochzeit eine große finanzielle Entlastung für die von Armut geplagten, geflüchteten Familien. 5), 4)

Doch es gibt einen zweiten Grund für Ehen mit minderjährigen Mädchen: Die Angst vor sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen und die damit einhergehende Beschmutzung der Familienehre. In einem Flüchtlingslager, in dem massenhaft unbefestigte Behausungen auf engstem Raum stehen, ist kaum Schutz vor derartigen Übergriffen geboten. Nur männliche Familienmitglieder können Mädchen vor solchen schützen. Manche Familien flüchten aber ohne ein männliches Familienmitglied. Somit gibt es niemanden, der für den Schutz der Tochter eintreten könnte. Allein der Weg zur Schule stellt eine sehr große Gefahr dar. Um solchen Übergriffen zu entgehen, entscheiden sich die Familienoberhäupter, ihre Töchter zu verheiraten – ohne ihre Mitsprache und ohne Beachtung ihres Willens. Die Beschmutzung der Familienehre durch Vergewaltigung kann gravierende Folgen haben: Mord – durch Familienangehörige – oder auch Zwangsheirat mit dem Vergewaltiger. Beides geschieht zur Wiederherstellung der Familienehre. 5), 6) , 7)

Eine Zwangsheirat hat äußerst gravierende Folgen für die jungen Mädchen. Nach der Zeremonie zieht das junge Mädchen zu ihrem Ehemann. Dies kann auch eine Chance sein, das Flüchtlingslager zu verlassen. Generell führt das Verlassen der Eltern mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu sozialer Isolation. Kaum ein Mann erlaubt es dem Mädchen, weiter die Schule zu besuchen. Stattdessen ist sie ab diesem Zeitpunkt für die Versorgung der Familie und des Ehemannes zuständig. 3) Daraus folgt zusätzlich ein geringer Zugang zu ärztlicher Versorgung, der in diesen Fällen wichtig und sinnvoll wäre. Denn die Kinderbräute gehen meistens ohne jegliches Vorwissen über den Charakter einer Ehe, den Geschlechtsverkehr, das Kinderkriegen, Verhütungsmethoden und ihrer Rolle als „Ehefrau“ zu ihrem Ehemann. Mädchen, die in so jungem Alter, erzwungenem Geschlechtsverkehr ausgesetzt sind und mit Schwangerschaften konfrontiert werden, erleiden schwere psychische Traumata. Nachweislich ist ein Mädchen unter 15 Jahren fünf Mal so gefährdet, durch Komplikationen bei der Geburt zu sterben, als eine erwachsene Frau. 4)

Unter Anbetracht der Tatsache, dass die geflüchteten Familien ihre Töchter unter anderem aufgrund von Armut schnell verheiraten wollen, fällt die Wahl des passenden Ehemannes sehr spontan aus. Anstelle einer Ehe mit nachhaltigem Charakter und Schutzfunktion, werden die Mädchen häufig in eine ausbeuterische und gewaltreiche Ehe gezwungen. 1)

Eine unter diesen Umständen geschlossene Ehe stellt einen Verstoß gegen die Menschenrechte dar, die eine Eheschließung vorsehen, der beide Parteien freiwillig zustimmen. Hier sind es die Eltern, die ihre jungen Töchter in Ehen drängen, die nachweislich große psychische und physische Schäden für ihre Töchter bergen, um dem Familienleben eine Last zu nehmen. 8)

UNICEF weist nachdrücklich auf die Konsequenzen einer so hohen Zahl an Kinderbräuten hin und spricht von einer möglichen „Lost Generation“ – ohne Bildung, ohne Rechte. 5)

Es gibt Maßnahmen, die den gewaltigen Anstieg an Kinderbräuten zurückgehen lassen könnten: Die Macht der Mädchen durch Infokampagnen und Wissensvermittlung stärken; eine genaue und weitreichende Aufklärung der Eltern über die äußerst schlimmen Folgen einer Kinderehe; das Bewusstsein über die rechtliche Lage (die Illegalität von Zwangsehen) an die Familien zu vermitteln. 1)

Die meisten der befragten Elternteile bereuen im Nachhinein die Entscheidung, ihre Tochter in so jungen Jahren in eine Ehe mit solch schlimmen Konsequenzen gezwungen zu haben. 6)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. SavetheChildren.org: Too Young to Wed. The growing problem of chil marriage among Syrian girls in Jordan. Stand: 08.03.2016
  2. nytimes.com: In Jordan, Ever younger Syrian Brides. Stand 08.03.2016
  3. spiegel.de: Syrische Kinderbräute im Libanon. Vertrieben, verarmt, verheiratet. Stand: 08.03.2016
  4. SavetheChildren.org: Too Young to Wed. The growing problem of child marriage among Syrian girls in Jordan. Stand: 08.03.2016
  5. unicef.org.au: The rise of the Syrian child bride. Tara Moss meets Syrian refugees and aid workers in Lebanon to learn more about the shocking trend. Stand: 08.03.2016
  6. theguardian.com: Syrian mother’s agony: why I made my teenage daughter become a child bride. Stand:08.03.2016
  7. theguardian.com: Child Marriage soars among Syrian refugees in Jordan. Stand:08.03.2016
  8. un.org: The Universal Declaration of Human Rights. Stand:08.03.2016



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