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Elektroautos aus Kinderarbeit: Kobaltabbau im Kongo

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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Ab Mitte der 2020er werden laut Mobilitätsforschern 15 Prozent der Neuwagen in Deutschland elektrisch betrieben sein – das sind 15 bis 20 Millionen neue Elektroautos im Jahr 2025. Diese gelten als umweltfreundlich, sauber und nachhaltig und damit als Alternative zu herkömmlichen Fahrzeugen. Die sind durch ihren CO2-Ausstoß schlecht für die Umwelt und zudem vom endlichen Rohstoff Erdöl angetrieben. Dass moderne Elektroautobatterien bzw. –akkus aber auch seltene Metalle wie Lithium oder Kobalt benötigen, ist vielen nicht bewusst. Laut Schätzungen wird allein die Automobilindustrie im Jahr 2035 122.000 Tonnen Kobalt für die Akkus von Elektrofahrzeugen benötigen. 1)

Die hohe Energiedichte dieser beiden Metalle macht sie zum idealen Antrieb für Elektroautos. Dabei benötigt man pro Akku circa 10 bis 15 Kilogramm Kobalt. Dessen Gewinnung ist aber häufig auch umweltschädlich und die Arbeiter müssen das Material unter teils menschenunwürdigen Bedingungen abbauen. Nicht selten sind an der Förderung Kinder beteiligt. 1)

Kobalt kann in Ländern wie China, Kanada und Australien gefunden werden. 48 Prozent der Weltreserven befinden sich allerdings in der Demokratischen Republik Kongo. 60 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kobalt stammen aus Minen des zentralafrikanischen Landes. Sie produzieren eine Menge von 84.400 Tonnen des Metalls. Davon stammen 18.000 Tonnen, also rund 20 Prozent, aus illegalen Kleinbergwerken. 1) 2)

Beim Abbau von Kobalt im Kongo lassen sich zwei Arten unterscheiden: Die Gewinnung aus illegalen Kleinbergwerken einerseits und die aus industriellen Minen mit gewissen Standards andererseits. Da die industriellen Minen allerdings hauptsächlich in chinesischer Hand liegen und vergleichsweise wenige Arbeitsplätze für Einheimische schaffen, wächst die Armut in der Region trotz des Rohstoffreichtums. Die Menschen vor Ort suchen deshalb eine Möglichkeit, ebenfalls am lukrativen Kobaltgeschäft teilzuhaben – und versuchen ihr Glück in ihren eigenen Minen. Diese graben sie teilweise direkt neben ihren Hütten, bis zu 45 Meter tief, sodass in den Dörfern instabile Untertagelabyrinthe entstehen. Sie arbeiten ohne Sicherung, ohne Mundschutz, oft barfuß. Die Böden sind brüchig, die Arbeit extrem gefährlich. Täglich gibt es Unfälle und Menschen werden lebendig unter den Erdmassen begraben. Zudem müssen sie Unmengen des giftigen Kobaltstaubes einatmen. Je tiefer die Schächte, desto enger werden sie auch. Aufgrund dessen ist Kinderarbeit im Kobaltgeschäft an der Tagesordnung. Auch suchen teilweise siebenjährige Kinder in den Abfallprodukten der industriellen Minen nach dem Metall und sortieren und waschen die Erze, bevor sie verkauft werden. Bis zu 12 Stunden am Tag müssen Minderjährige für einen Lohn von ein bis zwei Dollar durchschnittlich arbeiten. Teilweise verbringen sie im Alter von 12 Jahren 24 Stunden in den Tunneln. UNICEF schätzt, dass im Jahr 2014 ungefähr 40.000 Jungen und Mädchen in Minen im Süden der Demokratischen Republik Kongo arbeiten mussten, viele davon, um Kobalt zu gewinnen. Diese Form der Kinderarbeit zählt nachweislich zu den schlimmsten Formen weltweit. 1) 3) 4) 5)

Seit kurzem gibt es ein Zertifizierungssystem für Coltan im Osten des Kongos, das auch für Kobalt denkbar wäre und versucht, Probleme wie das der Kinderarbeit einzudämmen. Diese ITRY Tin Supply Chain Initiative (iTSCi) setzt auf eine mehrstufige Versiegelung, sodass weitestgehend sichergestellt werden kann, dass die Mineralien aus konfliktfreien Regionen kommen und nicht mit Hilfe von Kinderarbeit abgebaut werden. Dazu werden lokale Gutachter angestellt, die überprüfen, dass eine Mine diese bestimmten Kriterien erfüllt. Sobald das der Fall ist, werden alle Rohstoffe der Mine nur noch in gekennzeichnete Säcke abgefüllt, die zudem gewogen und versiegelt werden und deren Informationen in einer Datenbank abgespeichert werden. Zwischenhändler können die Behältnisse nur unter Aufsicht eines weiteren Gutachters erneut öffnen und wieder versiegeln. So kann ein „sauberer“ Ursprung der Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette belegt und gewährleistet werden. Da der Prozess des Abbaus und der weiteren Verarbeitung von Coltan und Kobalt auf technischer Ebene vergleichbar ist, könnte ein Zertifizierungssystem wie dieses auch auf das Metall angewendet werden. Zwar besteht immer noch ein Schmuggelrisiko, doch wäre es eine erster Schritt, auch kinderarbeitsfreies Kobalt garantieren zu können. Für die großen, industriellen Minen ist ein derartiges System vergleichsweise unkompliziert und deshalb gut umsetzbar. Das Problem sind die illegalen Minen des Kleinbergbaus, die durch ein solches Siegel weitgehend vom Markt ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass für diese Einheimischen andere Jobs geschaffen werden müssen, sodass nicht nur Kinderarbeit beim Kobaltabbau verhindert wird, sondern auch die Armut der restlichen Bevölkerung auf längere Sicht bekämpft werden kann. 6)

Für die Zukunft der Elektroautos denkbar sind außerdem Lithium-Ionen-Akkus, die komplett ohne Kobalt auskommen. Das einzige Problem, das hierbei noch gelöst werden muss ist, dass von dem Ersatzmaterial bisher nur Zellen von etwa 200 Gramm hergestellt werden können, 10 Kilo aber benötigt werden. Laut Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens vom ZSW Ulm ist in circa fünf Jahren mit diesen kobaltfreien Akkus zu rechnen. 1)

Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt sind aber die Automobilhersteller in der Pflicht, die Situation im Kongo zu verbessern. Sie sind in der Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten zu unterbinden und zu verhindern. Ökologischeres Fahren in Ländern wie Deutschland sollte keinesfalls mit der Ausbeutung von Menschen in Entwicklungsländern einhergehen. Deutsche Betriebe sollten ihre Macht nutzen, um auch Druck auf ihre chinesischen Zulieferer auszuüben, sodass die Lebenslage der Kinder im Kongo, aber auch ihrer Eltern, langfristig verbessert wird. Denn bisher kommt das Geld der deutschen Automobilindustrie kaum bei den Menschen im zentralafrikanischen Land an.

  1. ZDF: E-Autos: Ein nur scheinbar sauberes Geschäft; nicht mehr verfügbar
  2.  Edison: Kobalt: Ein Fair-Trade-Siegel muss kommen; Stand vom 17.09.2018
  3. Edison: Kinderarbeit in Minen: Weniger E-Autos sind auch keine Lösung; Stand vom 17.09.2018
  4. Edison: Kobalt und Co: So versuchen deutsche Autobauer Kinderarbeit auszuschließen; Stand vom 17.09.2018
  5. Amnesty International: „THIS IS WHAT WE DIE FOR“; Bericht von 2016
  6. Edison: Kobalt: Ein Fair-Trade-Siegel muss kommen; Stand vom 17.09.2018



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47 Gedanken zu „Elektroautos aus Kinderarbeit: Kobaltabbau im Kongo“

  1. Kobalt:
    Kinderarbeit gab es im Kongo, dem Hauptabbauland von Kobalt, leider schon immer. Und es hat noch nie interessiert. Und wird es auch noch geben, wenn kein Kobalt mehr in den Akkus ist, was schon sehr bald sein wird. Denn diese Kinder werden verhungern, wenn sie nicht weiter arbeiten (illegal übrigens). DAS ist der wahre Skandal. 90% des Kobalts wird aber nicht von Privatpersonen geschürft sondern ist ein Nebenprodukt beim Kupfer- und Nickelabbau. Das wird von grossen Minengesellschaften abgebaut. 92% des Kobalts ist auch nicht in E-Auto Akkus sondern in Handyakkus, Laptopakkus etc. und 2/3 des Kobalts sind in gehärteten Stählen (Kurbelwelle, Nockenwelle etc.) in deinem Verbrenner oder in deinem Werkzeugkasten. Und in der Ölraffinerie wird es auch dazu genutzt, dein Benzin zu entschwefeln (Hydrosulfierung durch Kobalt-Mobyldän Katalysatoren). Zudem wird das Kobalt aus dem Akku vollständig recycelt. Z.B. bei Fa. Duesenfeld. Für mich ist das ein billiges E-Auto Bashing. Und was ist übrigens mit den Bananen, Tee, Kaffee, Kakao, Kleidung, Make-up etc. Da interessiert Kinderarbeit wohl auch nicht. Bitte das Wort „Heuchelei“ googeln. In Teslas neuesten Akkus ist übrigens gar kein Kobalt mehr und BMW bezieht nun sein Kobalt aus Marokko und auch VW kauft nur noch zertifiziertes Kobalt. Vor dem E-Auto lag die Sklavenquote für Kobalt im Kongo bei 80%, seit dem E-Auto ist sie auf 20% gesunken. Oooooh, dieses Böse Elektroauto. BYDs neue Akkus und Teslas neue Akkus haben übrigens gar kein Kobalt mehr.

    Und schön auch komplett das Leid ausblenden, welches die menschenunwürdige Platinförderung im gleichen Maße in z.B. Südafrika anrichtet und genauso die mega-dreckige Ölförderung, die viele Gebiete verwüstet und das Trinkwasser vergiftet. Wieviele Kinder sterben dadurch? Täglich werden 40 Milliarden Liter Wasser durch die Ölförderung verseucht.

    1. Hallo Herr Balcu,
      vielen Dank für den ausführlichen Kommentar und die vielen Daten und Zahlen. Um diese mit einem Faktencheck bestätigen zu können, wären wir an Quellenhinweisen sehr interessiert. Können Sie uns diese nennen?
      Zu berücksichtigen ist bitte auch, dass Sie auf einen vor über zwei Jahren geschriebenen Artikel antworten und sich seitdem durchaus auch Änderungen ergeben haben könnten.
      Dass bei Gewinnung und Herstellung anderer Produkte ebenfalls Kinderarbeit eingesetzt oder Umweltzerstörung verursacht wird, kann Kinderarbeit bei der Kobald-Gewinnung aber auch nicht rechtfertigen. Wir weisen auf dieser Website übrigens auch auf sehr viele andere problematische Produkte hin und greifen gerne auch neue Themen und Aspekte auf. Eine vollständige Abdeckung aller Themen ist uns aber leider schon aus personellen und finanziellen Gründen nicht möglich. Dafür bitten wir um Verständnis und freuen uns über jede Spende (z.B. über https://www.paypal.me/earthlink) , die uns weitere Recherchen und die Fortführung dieser Kampagnenarbeit ermöglicht.

    2. Hallo Marcel, ja das stimmt, Coltan wird schon lange thematisiert und hat es beim Smartphone nicht interessiert, interessiert es auch nicht beim E-Auto. Man muss verzichten und das tut niemand mehr. Lieber in Saus und Braus ins elendige Graus rauschen. Aber es braucht doch Leute wie sie, die das Wissen darum haben und sich einsetzen, dass sich etwas ändert. Oder wollen wir grausame Kinderarbeit akzeptieren, nur weil ein Report unvollständig oder isoliert erstellt wurde; nur weil es viele dieser Grausamkeiten schon lange gibt und bisher niemand reagiert hat?
      Rechtfertigt die eine Untat die nächste? Liesse sich damit nicht sogar irgendwann die eigene Kriminalität rechtfertigen, wenn man weiterspinnt?

  2. Alles schön und gut, aber beim Kobaltabbau geht es um die Art und Weise der Kinderarbeit. Um gesundheitliche Schäden. Wie alt werden die Kinder dort?
    Ich glaube nicht, dass man das mit unserer Feldarbeit in Kinderjahren, unserer Lehre im Handwerk oder dem Holz sammeln auch nur ansatzweise zu vergleichen ist. Ich bin 65 und auch ich musste in meiner Kinderzeit mit auf’s Feld, die Karre mit dem Abfall 5 km auf eine Mülldeponie schieben, Gurken und Kartoffeln ernten und und und. Aber das ist nicht vergleichbar mit den Umständen unter denen die Kinder im Kongo arbeiten müssen.

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