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Bolivien: Wenn Kinderarbeit legal wird

12-Stunden-Schichten im Bergwerk sind für diesen Jungen üblich. |  Bild: Child labor in a mine working Bolivian boy © Sjors737 / Dreamstime.com [Royalty Free]  - Dreamstime

12-Stunden-Schichten im Bergwerk sind für diesen Jungen üblich. | Bild: Child labor in a mine working Bolivian boy © Sjors737 / Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime

Als Kinderarbeit 2014 in Bolivien legalisiert wurde, war die Empörung weltweit groß. Dabei hatten sich vor allem Kinder für die Einführung des Gesetzes stark gemacht. Bis heute ist die Regelung umstritten. Sollten Minderjährige tatsächlich unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten dürfen?

Zum 17. Juli 2014 führte Bolivien die Richtlinie für Kinder und Jugendliche ein, die offiziell Kinderarbeit ab 10 Jahren erlaubt. Die eigentliche Altersgrenze von 14 Jahren wurde erweitert: So kann nun ein Kind ab 12 Jahren auf Rechnung eines Arbeitgebers oder ab 10 auf eigene Rechnung arbeiten. Dies ist nur unter der Voraussetzung, dass die Eltern zustimmen und ein Schulbesuch garantiert ist, möglich. Die Arbeit darf der Erziehung, Gesundheit oder Entwicklung der Minderjährigen nicht schaden. Auch die Arbeit im Bergbau ist Kindern untersagt – doch rechtliche Prüfungen erfolgen kaum. Dadurch arbeiten heute knapp 850.000 unter den schlimmsten Bedingungen von Kinderarbeit. Fast 500.000 sind jünger als 14 Jahre, wovon wiederum ungefähr 90 Prozent besonders gefährliche Arbeiten ausführen. 1) 2)

Umso überraschender ist es, dass sich junge Menschen wie die Lizeth Castro – Gewerkschaftsboss der Kinderarbeiter – aktiv für das Gesetz einsetzten. Sie erklärt ihr Engagement folgendermaßen: „Ihr in Europa versteht das nicht“, sagt Lizeth. „Ihr habt diese Vorstellung, dass Kinder nicht arbeiten sollen. Schön und gut, aber das ist in meinem Land unrealistisch. Familien wie meine eigene könnten ohne die Arbeit der Kinder nicht überleben.“ Immer wieder zwingt Armut Minderjährige dazu, ihre Familien zu unterstützen. Viele dieser Kindergewerkschaftler erhalten finanzielle Unterstützung auch aus Europa.  Als weiteres Argument wird behauptet, dass die Arbeiter so aus der Illegalität geholt werden und vor Ausbeutung geschützt werden würden – eine ähnliche Begründung wird auch in den Debatten rund um die Legalisierung von Drogen oder Prostitution verwendet. Doch noch immer sind die Aufgaben, die von Kindern verrichtet werden müssen, ausbeuterisch. 3) 2)

Dies ist zum Beispiel im Bereich des Bergbaus der Fall. In den Minen wird zwar am meisten verdient, doch die Bedingungen sind nicht nur schlecht, sondern auch zum Teil lebensgefährlich. Selbst die Kinder müssen oft gebückt gehen und frische Luft gelangt lediglich über einfache Leitungen ins Innere. Oft drohen Stolleneinstürze und verspätet explodierende Dynamitladungen. Auf langfristige Sicht erkranken viele Bergleute schon in jungen Jahren an Staublunge. 2)

In fast allen Bereichen des Arbeitsmarktes arbeiten Minderjährige Boliviens. So zum Beispiel auch in der Landwirtschaft im Zuckerrohr, Mais- und Paranussanbau. Sogar für den Umstieg auf Elektro-Autos müssen sie leiden, denn für die Batterien wird das in Bolivien weit verbreitete Lithium benötigt. Aufgrund all dieser Möglichkeiten des Geldverdienens verschlechtern sich die Zukunftsaussichten der Kinder zunehmend. Viele können sich auf die Schule nicht mehr konzentrieren, vernachlässigen ihre Leistungen und bleiben daher oft für immer in schlecht bezahlten Jobs gefangen. 4) 5)

Tatsächlich findet noch heute eine Debatte über die Vorteile von Kinderarbeit statt. Die Unterstützung der Familie durch das eigene Anpacken im Familienbetrieb ist nicht immer zu verurteilen, solange es sich in Grenzen hält und Kinder trotzdem zur Schule gehen können. Dieses Arbeitsmodell gilt jedoch nur für die wenigsten. Die meisten sind bei fremden Arbeitgebern angestellt und arbeiten für wenige Euro mehrmals die Woche. Dabei stellen sich Konsumenten in den Importländern nicht selten die Frage, ob der Boykott von Produkten aus Kinderhand vielen Kindern die Existenz rauben würde. Doch der bewusste Kauf von nachhaltigen Produkten aus fairen Betrieben – ohne Kinderarbeit – könnte einen Kreislauf unterbrechen, der zunehmend Kinder in Mitleidenschaft zieht. Wenn die Eltern für ihre Waren anständig bezahlt werden, müssten Kinder diese nicht mehr finanziell unterstützen. Denn je billiger die Waren aus Bolivien in Deutschland verkauft werden, desto billiger wird im Exportland produziert, weshalb die Arbeiter kaum mehr verdienen und dementsprechend auf die Hilfe aller Familienmitglieder angewiesen sind. 6)

Anstatt Kindergewerkschafter, die für Kinderarbeit eintreten, in ihrem Handeln finanziell zu unterstützen, sollten deshalb Gelder Europas viel eher in den Aufbau einer stabilen Wirtschaft für Bolivien fließen.

  1. Humanium, Neues Gesetz zur Kinderarbeit in Bolivien : Wenn aus illegal legal wird… – Artikel vom 30.03.2016
  2. Spiegel Online, Die stolzen Kinderarbeiter – Stand: 04.04.2019
  3. Stern, In diesem Land ist Kinderarbeit erlaubt – eine Gewerkschafterin hat dafür gekämpft – Artikel vom 10.11.2017
  4. ZDF, Deutschland greift nach dem „weißen Gold“ – nicht mehr verfügbar
  5. Energyload, Die Batterien der Zukunft: Aktuelle Entwicklungen – Artikel vom 24.03.2019
  6. WEB.DE, Kinderarbeit: 152 Millionen Kinder arbeiten unter teils ausbeuterischen und gefährlichen Bedingungen – Artikel vom 11.06.2018



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